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Der ideale Mann | hastuzeit

Mrz 2014hastuPAUSENr. 52

Foto: Chris Schön

Julia: Die erste Frage zum Thema Maskulismus wäre sicherlich: Wie ist denn der »ideale Mann« überhaupt? Die Frage kann natürlich nicht objektiv beantwortet werden, doch gibt es ja in der Gesellschaft gewisse Attribute, die ein Mann vorgeblich mitbringen muss. Er sollte zunächst ein Alphamännchen sein, sowohl körperlich als auch intellektuell. Dann sollte er eher rational als emotional sein, der finanzielle Versorger der Familie, der Frau übergeordnet, aktiv, stark und sexuell potent.

Martin: Offiziell gibt es solche Anweisungen natürlich nicht, außer in rechtsextremen Kreisen und gewissen Studentenverbindungen. Doch latent sind diese Vorstellungen immer noch vorhanden, sowohl bei Männern als auch bei Frauen. Es scheint eine geradezu instinktive Bereitschaft da zu sein, einen Alphamann in leitende Positionen zu setzen .

Julia: Ich glaube auch, dass dieses Bild von beiden Geschlechtern mehr oder weniger unterbewusst unterstützt wird. Die meisten Frauen wünschen sich tatsächlich einen Mann, der eben ein wenig älter, größer und erfolgreicher ist, also zumindest leicht über ihnen steht. Aber besonders in den letzten zehn Jahren ist das Problem wieder stark in den Fokus getreten. Heute, wo immer stärker emanzipierte Frauen in viele vormals männlich dominierte Bereiche vorgedrungen sind und für Männer durchaus eine Konkurrenz darstellen, ist die Ansicht, die alte Vormachtstellung wiederherzustellen zu müssen, zum Motiv der Maskulisten geworden. Anscheinend muss sich immer ein Geschlecht als benachteiligt ansehen. Generell aber sollte man die Stärken und Schwächen jeder einzelnen Persönlichkeit unabhängig vom Geschlecht anerkennen, um ein fruchtbares und konstruktives Miteinander zu fördern.

Martin: Da stimme ich zu. Das ist etwas, dass in den Siebzigern von der Männerbewegung ebenfalls gefordert wurde: man wollte mit überholten Rollenbilder auch auf männlicher Seite aufräumen. Die Männerbewegung heute steht dem Feminismus eher feindselig gegenüber: für sie ist eine feministische Frau unattraktiv, kriegt keinen Mann ab, hat eine schwierige und überintellektuelle Persönlichkeit und möchte dem Mann ihre geschlechtlichen Eigenschaften aufdrängen. Was würdest du denken, welche Eigenschaften das sind?

Julia: Nun, ich glaube, die »typisch weiblichen« Attribute sind ebenso sozial konstruiert wie die »typisch männlichen «, auch wenn man gewisse biologische Aspekte davon ausnehmen kann. Eine Frau gilt als gefühlsbetonter, kommunikativer, passiver, nicht aggressiv, vorsichtiger und vernünftiger. Ich denke, dass jeder Mann diese Eigenschaften ebenso verkörpern kann und viele Männer dies auch tun, es gehört eben nur einiger Mut dazu, da ein sensibler Mann häufig als »verweiblicht « abgestempelt wird. Das finde ich schade. Ebenso verfügen aber auch Frauen oft über als typisch männlich angesehene Eigenschaften wie Führungsqualität oder eine gewisse Zähigkeit. Damit scheinen sie aber weniger Probleme zu haben, da sie dann ja die als eher positiv konnotierten männlichen Verhaltensweisen aufzeigen, die wiederum förderlich für die Karriere sind.

Martin: Dem kann ich nicht ganz zustimmen. Männer dürfen auch unter Männern kommunikativ und leidenschaftlich sein – sie dürfen nur nicht ihre eigene Schwäche herauslassen. Sie müssen immer alle Lebenslagen im Griff haben und als selbstbewusst rüberkommen. Würdest du sagen, dass Frauen dieses selbstsichere Auftreten nicht irgendwo wünschen?

Julia: Ich denke, da lastet auf Männern ein deutlich größerer sozialer Druck. Der Begriff »Selbstbewusstsein« ist meiner Ansicht nach schwer zu definieren. Ein Mensch, egal ob Mann oder Frau, ist nicht per se selbstbewusst, sondern in verschiedensten Situationen mehr oder weniger selbstsicher – oder eben auch unsicher. Wenn wir uns aber darauf einigen, dass jemand Selbstbewusstes im Groben mit sich selbst zufrieden ist und eine positive Lebenseinstellung an den Tag legt, dann kann ich sagen, dass Frauen solche Männer sicherlich bevorzugen. Umgekehrt ist das doch sicher auch der Fall. Aber dann ist dieses »Selbstbewusstsein« ja auch keine negative chauvinistische Eigenschaft, sondern eine, die das Leben allgemein erleichtert. Ein selbstbewusster Mann hat es nicht nötig, die eigene Maskulinität permanent zur Schau zu stellen und Frauen herabzusetzen.

Martin: In diesem Zusammenhang finde ich die Frage wichtig, wie man dieses Selbstbewusstsein ausbildet. Ich habe neulich einen Artikel vom Krimiautor Léon de Winter gelesen, in dem er betont, wie sein Sohn ohne sein Zutun typisch männliche Vorlieben entwickelt habe: in diesem Fall die Lust an Bewegung und aggressiven Umgangsformen, mit denen er in der Schule eher aneckt. Diese Eigenschaften würden von der Schule heutzutage einfach nicht mehr akzeptiert.

Julia: Das stimmt vollkommen. Die Schule heute wird nicht umsonst als »Frauenschule« betitelt, in der Jungen als sozial defizitäre, das heißt lernfaule und verhaltensauffällige Kinder, gesehen werden. Nicht nur der überdurchschnittlich hohe Anteil der weiblichen Lehrkräfte und das Fehlen männlicher Vorbilder im Vorschulbereich trägt dazu bei, sondern auch das Unterrichtsprofil, das wenig der Natur der meisten Jungen entspricht. Jungen brauchen mehrheitlich mehr Bewegung und sind lieber praktisch und schaffend tätig, als allein symbolische Wissensinhalte aufzunehmen. Daher sind die Schulleistungen der Jungen auch durchschnittlich schlechter und heterogener verteilt. Dahingehend muss sich die Schule mehr in Richtung der Jungen öffnen, damit diese gefestigte Persönlichkeiten werden können.

Martin: Ich weiß nicht, ob das mir persönlich zusagen würde, weil ich mich eher als Ausnahme von der männlichen Regel betrachte und das Wissen dem praktischen Schaffen vorziehe. Es ist eher, wie du bereits vorhin gesagt hast: dass man die individuellen Eigenschaften eher unabhängig vom Geschlecht fördert. Wenn es Herrn de Winters Sohn eben vorzieht, wie ein Neandertaler auf dem Sportplatz rumzuhüpfen, soll er das tun. Aber das sollte nicht dazu führen, dass dies auch anderen aufgezwungen wird.

Julia: Jeder hat eben andere Vorlieben und mit dieser Vielfalt muss die Gesellschaft besser umzugehen lernen. In vielen Bereichen sind Männer tatsächlich benachteiligt oder werden unbewusst nicht berücksichtigt. Beispielsweise im Erzieherberuf, in Sorgerechtsangelegenheiten oder als Homosexuelle. Dadurch sehen sie sich mit Problemen konfrontiert, die nur durch die eingefahrenen gesellschaftlichen Denkmuster entstehen konnten. Mit weniger kurzsichtigem, anachronistischem Denken und einer Portion Selbstbewusstsein sowie Selbstironie wäre diese ganze Maskulinismusdebatte hinfällig.

Über Martin Wohlgefahrt

Authors: Blogs@MLU - Das Leben an der Uni

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