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Der Neubeginn der Kohle: Innovative HTC-Demonstrationsanlage feierlich in Betrieb genommen

Der Neubeginn der Kohle: Innovative HTC-Demonstrationsanlage feierlich in Betrieb genommen HP AO

Die Hallesche Wasser und Stadtwirtschaft GmbH (HWS), ein Unternehmen der Stadtwerke Halle, erprobt gemeinsam mit dem Deutschen Biomasseforschungszentrum (DBFZ) aus Leipzig praxisnah ein zukunftsweisendes Verfahren für eine klimafreundliche Energieversorgung. Die HWS stellt sich damit der Herausforderung, ein ausgereiftes Verfahren zur Herstellung von HTC-Kohle in die großtechnische Anwendung zu überführen. Egbert Geier, Bürgermeister der Stadt Halle, nahm im Beisein von Matthias Lux, Vorsitzender der Geschäftsführung der Stadtwerke Halle GmbH, Jörg Schulze, Geschäftsführer der Halleschen Wasser und Stadtwirtschaft GmbH, Dr. Hermann Onko Aeikens, Minister für Landwirtschaft und Umwelt des Landes Sachsen-Anhalt, Frank Bannert, Landrat des Saalekreises, und Heike Neumann, Projektträger Jülich, die neue Demonstrationsanlage auf dem Gelände der Deponie Lochau heute offiziell in Betrieb. Auf einer Fachkonferenz im Anschluss diskutierten etwa 40 Vertreter aus Wissenschaft und Wirtschaft gemeinsam mit Experten zum Thema „Von der Abfallgrube zur HTC-Anlage - Ergebnisse des Zusammenwirkens von Wissenschaft und Praxis“ die Erkenntnisse.

 

Vor hundert Jahren stellte der Nobelpreisträger Friedrich Bergius bei der Suche nach den Entstehungswegen von Stein- und Braunkohle fest, dass in Wasser unter hohem Druck und Temperaturen aus Torf eine kohleartige Substanz gewonnen werden kann. Die Biokohle war „geboren“. Doch bis heute gibt es kein am Markt etabliertes Verfahren, um einen klimafreundlichen Ersatz für fossile Kohle in der großtechnischen Anwendung herzustellen. Die HWS stellt sich gemeinsam mit dem DBFZ dieser Herausforderung. Im Rahmen des vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) initiierten Förderprogramms „Energetische Biomassenutzung“ sollen in einer Demonstrationsanlage ab Juli hochwertige Brennstoffe aus Bioabfällen durch Hydrothermale Carbonisierung (HTC) hergestellt werden.

Bei der HWS werden jährlich durch die Bürger mehrere tausend Tonnen Grünschnitt entsorgt. Ein wertvoller Rohstoff, der mehr sein kann als Grundlage für Kompost. Die Klimabilanz fossiler Kohle ist schlecht. Neben den bekannten erneuerbaren Energien – wie Wind- und Solarenergie – gibt es aber auch noch andere Wege. Den Weg, aus biogenen Reststoffen einen Biobrennstoff herzustellen, beschreitet die HWS gemeinsam mit dem DBFZ.

„Wir wollen jährlich 2.500 Tonnen unseres Grünschnitts mit dem HTC-Verfahren in einen Biobrennstoff umwandeln. Das Besondere an der nun entstandenen HTC-Demonstrationsanlage ist: der Umwandlungsprozess wird in bestehende Verwertungswege integriert. In der Anlage wird angewendet und optimiert, was zuvor im Labor verschiedene Tests durchlaufen hat“, erklärt Jörg Schulze, Geschäftsführer der Halleschen Wasser und Stadtwirtschaft GmbH.

„Ziel des Projektes ist ein Verwertungskonzept, das auch auf andere Unternehmen übertragbar und nachnutzungsfähig ist. Ein lagerfähiges Produkt als Energieträger mit einer vorzeigbaren Energiebilanz könnte erhebliche Mengen fossiler Energieträger ersetzen. Die HTC-Kohle von der HWS kann dieses Produkt sein. Mit der nachnutzungsfähigen Herstellung von HTC-Kohle in der Anlage ist ein großer Schritt zur industriellen Produktion eines klimafreundlichen Ersatzes für fossile Kohle getan. Damit leistet die HWS einen wichtigen Beitrag für den Klimaschutz“, ist sich Matthias Lux, Vorsitzender der Geschäftsführung der Stadtwerke Halle GmbH, sicher.

„Mit dem Bau der HTC-Demonstrationsanlage gemeinsam mit der Halleschen Wasser und Stadtwirtschaft GmbH erreichen wir eine neue Stufe in der Umsetzung der Hydrothermalen Carbonisierung. Wenn es uns gelingt, die Ergebnisse aus der Forschung in die industrielle Produktion zu überführen, erhalten wir einen veredelten, klimafreundlichen Brennstoff. Das wäre ein bedeutender Beitrag zum Klimaschutz.“ Dr. Marco Klemm, DBFZ-Projektleiter.

Was ist Hydrothermale Carbonisierung? In dem in den letzten Jahren wiederentdeckten Verfahren wird organisches Material in heißem Wasser bei z. B. 220°C und 25 bar im Verlauf mehrerer Stunden in einen kohleartigen, veredelten Biobrennstoff umgewandelt, quasi ein Schnellverfahren zur Herstellung von Kohle.

Hintergrund:

Das Forschungsprojekt - Das HTC-Verfahren im Labortest

Das Deutsche Biomasseforschungszentrum (DBFZ) in Leipzig begleitet das Projekt „Integrierte Verwertungsanlage und Strategie für kommunale Biomasse – HTC Hallesche Wasser und Stadtwirtschaft“ wissenschaftlich. Ziel des gemeinsamen Forschungsprojektes ist die Errichtung einer Demonstrationsanlage zur Hydrothermalen Carbonisierung kommunaler Biomassen und deren Integration in das bestehende Stoffstrommanagement der HWS. Im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) erforschen die Mitarbeiter des DBFZ im Rahmen angewandter Forschung sowohl theoretisch wie praktisch die effiziente Nutzung von Biomasse als regenerativen Energieträger der Zukunft.

Vor dem Bau der Demonstrationsanlage  führte das DBFZ umfangreiche Laborversuche zur HTC durch. Im Mittelpunkt standen die Fragen: Sind die bei der HWS vorhandenen Substrate für das HTC-Verfahren geeignet? Wie beeinflussen die Prozessparameter die Ausbeute und die Qualität der HTC-Kohlen? Am DBFZ wurden verschiedene Substrate wie Bioabfall, Landschaftspflegematerial und Gärrest daher unter Laborbedingungen hydrothermal carbonisiert. Dabei kam ein sogenannter Laborautoklav zum Einsatz, ein druckfestes und temperaturbeständiges Stahlgefäß. Die Versuche wurden unter Bedingungen durchgeführt, die direkte Rückschlüsse auf die Demonstrationsanlage zulassen.

Die Laborversuche haben gezeigt, dass die Substrate der HWS durch das HTC-Verfahren in eine kohlenstoffreiche HTC-Kohle umgewandelt werden. Die chemische Zusammensetzung und der Brennwert der HTC-Kohle sind mit fossiler Kohle vergleichbar. Im Labor konnten optimale Prozessparameter identifiziert werden. Diese Erkenntnisse werden nun auf die Demonstrationsanlage übertragen.

HTC-Kohle in wenigen Stunden

Die Hydrothermale Carbonisierung (HTC) ist ein Prozess, bei dem unter hohem Druck und hoher Temperatur, beispielsweise 220°C und 25 bar, Biomasse in wenigen Stunden in Kohle umgewandelt wird. Der thermo-chemische Prozess wurde bereits 1913 von Friedrich Bergius in einer Veröffentlichung des Verlages Wilhelm Knapp aus Halle (Saale) beschrieben, aber in den darauffolgenden Jahrzehnten nicht weiter verfolgt. In Zeiten steigender Preise für fossile Energieträger rückte er wieder ins Bewusstsein und wird nun technisch umgesetzt.

Beim HTC-Verfahren finden verschiedene chemische Vorgänge statt, bei denen die innere Struktur des Ausgangsstoffes und dessen Zusammensetzung entscheidend verändert wird. Als festes Produkt entsteht eine HTC-Kohle, die mit ihren Brennstoffeigenschaften weitgehend jenen von Braunkohle entspricht. Der Einsatz der HTC-Kohle würde ein weiteres bedeutendes Potenzial zur Minderung klimaschädlicher Emissionen mit sich bringen.

Der Reaktor im Container – das Innenleben der HTC-Anlage

Die Anlage besteht äußerlich aus mehreren Containern und lässt zunächst nicht erahnen, welche Prozesse sich im Inneren abspielen. Kernstück der Anlage ist der HTC-Reaktor „Art coal 3000k“ – ein horizontal liegender Rohrreaktor mit einem Volumen von 3 m³ und den Betriebsparametern von 220 °C und 25 bar. Entwickelt und hergestellt wurde die Anlage durch die Firma Artec Biotechnologie GmbH aus Bad Königshofen.

Den Standort für die Anlage wählten die Experten sehr bewusst aus, nämlich auf dem Gelände der Abfallwirtschaft GmbH Halle-Lochau (AWH) in direkter Nachbarschaft des Deponiegas-Blockheizkraftwerkes (BHKW). So kann die erforderliche Wärmeversorgung, insbesondere für das Aufwärmen der wässrigen Biomassesuspension und die Kohletrocknung, durch einen Abgaswärmetauscher sichergestellt werden. Mit der Anlage entsteht ein ausgereiftes Beispiel für den am Standort Halle-Lochau im Aufbau befindlichen Kreislauf- und Ressourcenpark.

 

Quelle: Stadtwerke Halle GmbH

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Torsten Vockroth
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