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„Krieg“ – Eine Sonderausstellung im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle/Saale

Landesmuseum Halle - Ausstellung Krieg -- noch bis 22. Mai 2016 geöffnet !! Landesmuseum Halle - Ausstellung Krieg -- noch bis 22. Mai 2016 geöffnet !! HP

„Krieg“ – ein Begriff im Wortlaut, hart, kalt und ohne emotionale Regung.

Mit Sicherheit ist dieses einfache, schlichte Wort, welches aber im Regelfall die bewaffnete und gewaltsame Auseinandersetzung zwischen verschiedenen Staaten oder Völkern darstellt, sehr gewagt gewählt. Aber wie sonst anders, kann man sich mit einem solchem Thema, aktueller denn je, auseinandersetzen und die Hintergründe beleuchten?

 

Zumal es inzwischen einen recht jungen und breitgefächerten Forschungszweig gibt. Nämlich den der „Schlachtfeldarchäologie“! Nicht umsonst ist der Beisatz zur Ausstellung dazu vermerkt „eine archäologische Spurensuche“.

 

Doch würde man mit einem solch gewagten Titel auch interessiertes Publikum begeistern können, oder wäre er eher abstoßend? Aber mehr als 50.000 Besucher zählte die Ausstellung bisher - ein guter Beweis ob der Wichtigkeit der Thematik! 

 

Das Thema findet ein breites Interesse und ebenso ist auch die Ausstellung, spannend und abwechslungsreich gestaltet.

In der gesamten zivilisierten Menschheitsgeschichte gab und gibt es auch trauriger Weise bis in die Gegenwart, immer wieder kriegerische Auseinandersetzungen! Das organisierte, legalisierte gegenseitige Töten, meist um Ressourcen, Gebiete und Macht!

Da stellt sich bereits zu Anfang des Rundgangs die Frage, seit wann gibt es diese Gewaltkonflikte der Menschheit überhaupt?

Haben wir schon immer Krieg gegeneinander geführt?

Ist er erst mit der Staatenbildung und dem hohen Ungleichgewicht zwischen Besitzenden und Besitzlosen entstanden?

Sehr einfach war diese Frage auch für die Macher der Ausstellung nicht zu beantworten. Vielmehr versuchte man Schlussfolgerungen aus Grabungsfunden herbeizuführen. Sicherlich, gab es den Krieg im klassischen Sinn in der Urgesellschaft nicht!

 

Aber das gewaltsame, gegenseitige Töten, war dennoch vertreten, wie Ausgrabungen und Spuren an Schädeln und Gebeinen bewiesen. Vielmehr war es ein zufälliges Aufeinanderprallen von verschiedenen Stämmen die sich plötzlich konkurrierend gegenüber sahen.

 

Dagegen wurde in einem eindrucksvollem Video bewiesen, dass es „kriegsähnliche“ Grenzkonflikte auch bei wildlebenden Schimpansen Gruppen gibt, die teilweise auch tödlich enden können. Somit ist das Aggressionspotential im Grunde auch dem Menschen von Urzeit an, in den Genen mitgeliefert worden. Spätestens aber, seit Beginn der teilweisen und vollendeten Sesshaftigkeit einzelner Sippen und Stämme, die nun in Konkurrenz zu den Nomadenvölkern lebten, ließen sich Konflikte nicht mehr vermeiden!

Schnell wurde da der Jagdspeer und die Keule als Kriegswaffe gegen andere Menschen eingesetzt und im Laufe der Zeit diese Waffen präzisiert, erweitert und sogar eigens entwickelt.

Die Übergänge, vom ersten Raubmord bis hin zu ersten organisierten Kampfhandlungen der Spätsteinzeit und der frühen Bronzezeit, zeigen sich fließend.

Doch spätestens seit der Bronzezeit, kann man von kriegerischer Auseinandersetzung zwischen verschiedenen Gruppen sprechen. Deutlich wird gezeigt, wie sich bereits schon in der Jungsteinzeit regelrechte Kriegerkasten, mit Rangstufen bildeten.

 

Und in Sachsen-Anhalt?

 

Natürlich finden sich in der Sonderausstellung klassische Leihgaben, die aus dem alten Ägypten und anderen frühen Staaten des Vorderen Orients stammten. Aber auch Sachsen-Anhalt, die mitteldeutsche Region ist ebenfalls reich bestückt an Zeugnissen, früherer kriegerischer Auseinandersetzungen! Auch diese Funde und Grabbeigaben fanden sich im epochalen Ablauf der Ausstellung wieder. Es wird an den Schautafeln mittels eindrucksvoller, rekonstruierter Grafiken deutlich, wie das Leben und auch der „Krieg“ in jenen Zeiten in Mitteldeutschland aussah und stattgefunden haben musste.

 

Da war es nur ein kleiner Schritt, bei einer Staatenbildung, auch von der Bildung von Militär und Kampf zu sprechen.

Eine endgültige Antwort zu finden, ob es schon immer Krieg zwischen den Menschen gab oder nicht, wird man sicherlich nie finden können. Zumal auch der ethische Aspekt eine bedeutende Rolle spielt!

Das gewaltsame, gegenseitige Töten, ist in jedem Fall ein sehr grausamer Tatbestand. Aber in der modernen Zeit Kriege damit zu begründen, dass es in der Menschheit von Anbeginn schon immer Kriege gab und dies in unserer Natur läge, ist insbesondere nach dieser sehr informativen Ausstellung, kategorisch abzulehnen!

 

Die Archäologischen Befunde zeigen jedoch auf, dass auch unsere Entwicklung immer wieder mit gewaltsamen Phasen verbunden ist. Wir können natürlich die Vergangenheit nicht ändern. Aber wir können etwas daraus lernen, Konflikte gewaltfreier zu lösen!

 

Welche schweren Folgen und Grausamkeiten ein vollendeter Krieg mit sich bringen, zeigten die zusätzlichen Exponate der „Schlachtfeldarchäologie“, am Beispiel der Ausgrabung vom Gelände der Schlacht bei Lützen im Dreißigjährigen Krieg! Kein anderer Krieg, nach dem Zweiten Weltkrieg, hatte Deutschland – Mitteleuropa – so nachhaltig verändert wie dieser.

Für die Forschung war es daher von unschätzbarem Wert, dass man 2011 ein Massengrab entdeckte. Zumal sich Lützen im südlichen Sachsen-Anhalt, nahezu vor den Toren der Stadt Halle und somit dem Landesmuseum befindet. Diese Entdeckung bot vielen Forschern, Historikern und auch Forensikern ein breites und spannendes Spektrum für ihre Arbeiten. Auch wenn es über die besagte Schlacht am 16.11.1632 (nach julianischem Kalender, der zeitgenössisch immer mitgeführt wird, der 06.11.) reichliche Berichte und überlieferte Unterlagen gibt. Ausgrabungen, Fundstücke, die stummen Zeugen einer „Momentaufnahme“ des augenblicklichen Geschehens verraten die wahren Geheimnisse und Schätze der Vergangenheit.

 

Hat man alle Auswertungen zusammen, wird vieles verblüffendes, neues rätselhaftes und erstaunliches sichtbar!

 

So wurde das Massengrab im Zustand seines Fundes, mit Skeletten aus 47 Individuen präpariert, als Mittelpunkt ausgestellt.

Die Ergebnisse der Forschungsarbeiten sind so umfangreich und vielfältig, dass sie den Rahmen unseres Artikels gewiss sprengen würden. Es sei wenigstens so viel erwähnt, dass es sich um ein Massengrab von Soldaten handelt, die wirklich aufgrund der Kampfhandlungen gefallen sind. Die Skelette weisen allesamt Verletzungen auf, die aufgrund der Schlacht tödlich oder kurzzeitig unmittelbar danach den Tod verursachten.

Doch dem kriminalistischen Spürsinn der Hallenser Experten blieb natürlich auch nicht verborgen, dass viele der Männer auch unter anderen Leiden litten, die sie in ihrer Jugend erfahren hatten, oder sich aufgrund ihrer schon längeren Söldnertätigkeit zuzogen. Vor allem die Ernährungslage und auch der Hygiene lassen sich hier nennen.

Zu empfehlen seien an dieser Stelle zwei Exemplare an Begleitwerken zu dieser Sonderausstellung. Ein großer reichlich bestückter Bildband, mit allen detaillierten Informationen und auch sein „kleiner Bruder“ im Taschenbuchformat, kann jederzeit im Landesmuseum erworben werden. Für Interessenten, welche die Ausstellung leider zeitlich nicht mehr besuchen können, oder auch nochmal nachlesen möchten, jeweils ein unverzichtbares Werk.

 

Bis zum 22. Mai 2016 kann die Ausstellung noch im Landesmuseum besucht werden. Wer dies bisher noch nicht gemacht hat, sollte es unbedingt noch tun.

 

Der spezielle Sonderbeitrag innerhalb der Sonderausstellung über den Dreißigjährigen Krieg, ist sehr liebevoll und detailliert geschaffen worden. Jedem Opfer wurde auch nach fast 400 Jahren die menschliche Würde zu teil, welche jedem Toten zusteht.

Es wird nicht gerichtet, es wird geurteilt! Über die Grausamkeit des Krieges und das dieser Grausamkeit jeder zum Opfer fallen kann.

Auch hohe Adlige, wie den berühmten Feldherrn Wallenstein und selbst Königen!

Da in der Schlacht bei Lützen der schwedische König Gustav Adolph fiel, war es nur folgerichtig, dass diesem eine besondere Ecke der Ausstellung zu Teil wurde.

Selbst das Original präparierte Lieblingspferd Wallensteins, fand einen Platz in der Ausstellung.

Natürlich dürfen bei einem solchen Thema auch die entsprechenden Waffen nicht fehlen. So präsentiert sich im Übergang vom Foyer zum Informationsraum zu Gustav Adolph und Wallenstein eine der berühmten schwarzen „Pappenheimer“ Rüstungen. Weiterhin zu bestaunen waren die guten Exemplare an Luntenschlossmusketen, Hellebarden und Radschlosskarabiner und Pistolen.

Zu Füßen des Massengrabes konnte man eine gewaltige Sammlung Bleikugeln von Musketen und Pistolen betrachten.

Bemerkenswert waren die bei nähren Hinsehen eingravierten Kreuze, die „gefroren“, also unverwundbar, machen sollten. Ein Aberglaube, der sich bei den Söldnern des Dreißigjährigen Krieges stark ausprägte.

Aber es fanden sich auch äußerst platt gedrückte, deformierte Kugeln in der Vitrine. Ein Indiz, dass diese ein Ziel getroffen hatten!

 

Aber was gibt es noch Besseres, als Geschichte hautnah zu erleben?

Diesen Höhepunkt konnte ein originalgetreues, nachgebildetes Heerlager auf der Wiese unmittelbar vor dem Museum bieten.

Die Traditionsvereine „MacKays Regiment of Foote“, „Sperreuthers Schwarzes Regiment“ und „Die Verlorenen zu Memmingen“, machten das Leben der damaligen Zeit lebendig.

 

Mit ein paar zünftigen Böllern aus Hakenbüchse, Lederkanone, Feldschlange und dem Orgelgeschütz wurde es richtig „krachen“ gelassen. Der Platz vor dem Landesmuseum wurde in düsteren Nebel aus Pulverdampf gehüllt. Auch das nachladen und die vielen komplexen Handgriffe, machten den Kriegsalltag der Landsknechte und Söldner deutlich.

Hin und wieder gab es auch ein Handgemenge mit dem Rapier, wenn es offenbar um Beute oder der Ehre ging.

Der neuzeitliche Besucher hatte später die einmalige Chance sich selbst „werben“ zu lassen, indem er beim Exercicium mit dem Spieß mitwirkte.

Es ist gar nicht so einfach, die 4,5m lange „Picke“ zu führen und fordert nicht nur Geschick. Um der Hebelwirkung entgegen zu wirken, forderte es auch körperliche Kraft, in Armen und Beinen. Erst recht wenn man simultan die einzelnen Positionen und Stellungen welche für den Kampf geübt wurden korrekt durchspielt.

Ein solches Szenario, wo man wahrhaftig teilhaben kann, macht Geschichte lebendig!

Für die interessierten Zuschauer ebenso eindrucksvoll, war der Musketendrill.

Das koordinierte Abfeuern der Waffen, so wie die eindrucksvolle Darstellung eines „Sturmangriffes“, mit gewendeten Gewehrkolben und gezogener Blankwaffe.

Natürlich wurde niemand bei dieser Aktion verletzt!

Die Waffen waren Böller und die Klingen stumpf. Alles bezog sich auf die reine Darstellung der Ereignisse jener Zeit.

Bemerkenswert war, dass man einerseits die „Schweden“ darstellte, aber ein schottisches und Nürnberger Regiment verkörperte. Dies macht deutlich, wie die Heere damals wirklich zusammengestellt waren. Es war eben das "Söldnerhandwerk“.

Auch wenn das Thema ein sehr ernstes ist, so muss man sich dennoch der Vergangenheit stellen. Ein „wegignorieren“ der Grausamkeit des Krieges, ist ebenso wenig nutzbringend, wie die übermäßig heroische Herausstellung. Dabei spielt es keine Rolle, welcher Herkunft eine Kriegspartei stammt.

Als Fazit bleibt zu sagen, dass diese Ausstellung sehr gelungen das heikle Thema aufgegriffen und dargestellt hat. Mit sehr viel Liebe zum Detail sind die Exponate ausgestellt worden und war auf jeden Fall auch pädagogisch sehr wertvoll!

Was bleibt ist das, was Geschichte in solchen Belangen schon immer tat!

Sie urteilt, aber sie richtet nicht!

Letzte Änderung am Dienstag, 17 Mai 2016 08:06

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